Berichte
SCR-Jugendtörn 2018 mit der Segelyacht Anita
Törnbericht von Tobias Simon...
Wind NW 4 Beaufort, Halbwindkurs, anfangs leicht diesig und bewölkt, später die ersten Sonnenstrahlen, schönes Segelwetter. Anita mit ihrer typischen leichten Schräglage zieht majestätisch durchs Wasser, die aufkommenden Wellen werden durch die 1938 gebaute, knapp 22 Meter lange und für Regatten konstruierte Segelyacht einfach ignoriert, der Kurs mit Richtung NE zum ersten Zielhafen Bagenkop liegt an. Der Beginn des Jugendtörns 2018 mit der 12 mR S.Y. Anita, 6 Jugendlichen und 4 Ausbildern.
Doch vor dem Ablegen steht am Vortag die Anreise aus Walluf, Mainz und Wiesbaden mit der Bahn nach Kiel an. Die Proviantierung mit dem parallelen Überprüfen der Technik und Ausrüstung des Schiffes, der Einweisung auf und unter Deck und der verschiedenen Verhaltens- sowie Sicherheitsmaßnahmen kommen vor dem langsamen Eingewöhnen. Entspannend wird es beim gemeinsamen Abendessen im Hotel Restaurant Kieler Förde.
In Bagenkop angekommen bunkern wir rund 40 Liter Diesel und verlegen uns an die innere Außenmole. Für die nächsten zwei Tage sind westliche Winde um 4 Bft. bei geringer Bewölkung angesagt. Wunderbare Voraussetzungen für eine von den Jugendlichen gewünschte Nachtfahrt. Jeweils zwei der Jungs bilden eine Wache, ein oder zwei Ausbilder stehen jeweils unterstützend zur Seite. Natürlich werden bei Segelmanövern immer zusätzliche Hände gebraucht. Insbesondere beim An- und Ablegen heißt es „All Hands on Deck“.
Also Ablegen und raus aus dem Hafen von Bagenkop, Segel setzen und erst einmal um die Südspitze von Langeland herum und dann nach Norden Richtung Großer Belt Brücke. Anfangs zieht eine kleine Wetterfront über uns hinweg. 5 Minuten Regen sorgen für nasses Ölzeug aber auch für fantastischen Wind. Damit war die Schlepperei der wetter- und regenfesten Funktionskleidung nicht umsonst, wirde aber für diesen Törn das erste und letzte Mal benötigt. In der Abdeckung von Langeland geht es mit Rauschefahrt auf Stb-Bug an Spodsbjerg vorbei. Gegen Mittag lockert die Bewölkung auf, die Sonne zeigt ihr strahlendes Gesicht. Wunderschönes Segeln, so kann es weiter gehen. Durch die geplante Nachtfahrt steht noch kein Ziel fest. Wir wollen sehen, wie weit wir bis zum Morgengrauen kommen und uns dann einen geeigneten Hafen aussuchen.
Doch gegen 15.30 Uhr nimmt der Wind ab und kurz vor 17.00 Uhr breitet sich eine nicht gewünschte und auch nicht vorhergesagte Flaute aus. Wir stehen rund 10 Seemeilen vor der Belt Brücke. Nichts ist schlimmer als Flaute, abwartend und zum Nichtstun verurteilt. Also Motor an und neuer Kurs in den backbord voraus liegenden Hafen Nyborg. Leider beendete Rassmus damit voreilig unsere geplante Nachtfahrt.
Es ist Dienstagvormittag, Tag 3, immer noch schwachwindig, trotzdem legen wir ab, setzen die größten Segel und bemühen uns langsam nach Osten zur Durchfahrt der immer wieder imposant wirkenden großen Brücke, die Langeland und Lolland verbindet. Durch unseren 28 Meter hohen Mast sind wir gezwungen eine der Hauptdurchfahrten zu nehmen. Ab und zu setzen wir die Maschine bei, gegen 13.30 Uhr setzt sich Nordwind mit 1 – 2 Windstärken durch. Wir haben einen Zielhafen ausgemacht, genau nördlich von uns auf der Ostseite von Samsö liegt der Urlaubs- und
Ferienort Ballen. Also konzentriertes Kreuzen gegen den Wind. Am Nachmittag frischt es etwas auf, wir wechseln von Genua 1 auf Genua 2. Ein bis zwei Seemeilen vor Ballen war es das mit dem Wind. Segel bergen, sauber auftuchen, Fender und Festmacher klar machen, anlegen. Alles klappt wie am Schnürchen.
Eigentlich haben wir keinen festen Smut an Bord. Doch Peter Eider, der mich bereits vor vielen Jahren mit köstlichen Gerichten auf Anita überraschte und nach wie vor begeistert, kocht auch auf diesem Törn wunderbar schmeckende Speisen. Es ist nicht immer möglich, doch heute Abend konnten wir uns direkt nach dem Anlegen das Abendessen schmecken lassen.
Am nächsten Tag um 16.00 Uhr beginnt das WM Vorrundenspiel Süd-Korea gegen Deutschland. Also eine kurze Tagesetappe nach Juelsminde. Sonnenschein, leichte Winde um 2 Bft. aus östlicher Richtung verbunden mit angenehmen Knoten Fahrt verhelfen uns zu einem pünktlichen Anlegen. Schnell wurde eine Übertragung für fussballbegeisterte Einheimische und Gäste ausgemacht, nur das Spielergebnis ist alles andere als erfreulich.
Es ist bereits Donnerstag als wir die Leinen im touristisch sehr belebten Juelsminde loswerfen und bei schwachen Winden Richtung Kleinem Belt lossegeln. Zwischenzeitlich muss die Maschine bis zum Gamel Haven von Middelfart helfen. Auch spät nachmittags und abends sind jegliche Winde durch das Hoch über uns aufgehoben worden.
Für unsere letzten beiden Tage sind nördliche Winde von 3 bis 5 Beaufort angesagt. Am Freitagmorgen weht es tatsächlich aus NE mit 4 in Böen 6. Nur unter Genua 2 segeln wir mit teilweise guten 9 Knoten durch den kurvenreichen Kleinen Belt, umsegeln einige Inseln und Untiefen, durchfahren den Aerosund, nehmen Kurs auf die Nordeinfahrt des Alsfjord, überholen mehrere Yachten und stoppen für die Durchfahrt der Klappbrücke von Sonderburg für eine dreiviertel Stunde auf. Mit leicht abnehmendem Wind unter gerefftem Groß und Genua 2 setzen wir unsere Tagesetappe bis zum Ostseeresort Olpenitz fort. Vor zwei Jahren von der Bundesmarine dem privaten Gebrauch überlassen befindet sich der knapp südlich von Schleimünde liegende Hafen im Aufbau.
Ein letztes Mal heißt es Leinen los. Doch der Segelspaß dauert nur gut eine Stunde, der Wind ist mal wieder eingeschlafen. Wieder gut eine Stunde später kommt endlich der Wind mit 3 – 4 Windstärken zurück und beschert uns eine wunderbare Rückreise nach Kiel in den Starthafen Sporthafen Stickenhörn.
Bevor es am nächsten Morgen mit der Bahn zurück nach Hause geht, stehen noch einige Reinigungs- und Aufräumarbeiten an. Wie den ganzen Törn über packen alle mit an.
Das Logbuch vermerkt für unseren Segeltörn 242 Seemeilen und 17,2 Motorstunden.
Jetzt möchte ich noch etwas zu unserem geglückten und sehr schönen Segeltörn sagen. Die Voraussetzungen wurden bestens erfüllt und waren zum Einen eine gut eingespielte Crew, natürlich ein wunderbares Schiff und ein interessantes Fahrgebiet. Zur Krönung hatten wir noch
ein Super-Sommer-Sonnen-Wetter. Den teilweise geringen Windverhältnissen antworteten wir mit angepassten kurzen Etappen.
Die Crew arbeitete von Anfang an gut zusammen. Die Manöver liefen Hand in Hand, ganz egal ob beim Segelwechsel oder beim An- und Ablegen. Frühstück, Mittagshäppchen und Backschaft wurden durch die Jugendlichen häufig eigenständig erledigt – hier zeigt sich die gute Vorarbeit der letzten Ausbildungsjahre. Dafür sage ich als Skipper allen ein herzliches Dankeschön. Mit euch gehe ich jederzeit wieder auf Törn!
Crew: Peter und Henning Fiegel, Peter u. Tilman Eider, Maurice Hoeher, Mario Lucchetti, Robert Steffen, Jannis Weber, Geronimo Werner und Skipper Tobias Simon.
Die hier eingestellten Berichte von Reisen, Ausflügen, Erlebnissen und „Segel-Abenteuern“ werden von Mitgliedern für Mitglieder bereit gestellt. Wir danken daher unseren Bericht-Erstattern für Ihre Bemühungen und freuen uns auf zahlreiche, weitere Berichte. Bitte sprecht uns im Vorstand an, wenn Ihr etwas als Bericht veröffentlicht haben wollt.
Der Vorstand
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3 mal 4 das sind ein Dutzend bestandener SKS-Praxis-Prüfungen
SKS-Training und Prüfungen 2017
Auch im Jahr 2017 wurde vom Ausbildungsteam des Segelclub Rheingau ein Ausbildungstörn für den Sportküstenschifferschein organisiert.
Für die diesjährige SKS-Ausbildung haben wir uns ein neues Revier gesucht. Mit Heiligenhafen an der Ostsee fand sich ein ansprechendes und herausforderndes Segelgebiet sowie 12 Kandidaten, die Ende August aufgebrochen sind, um möglichst viel über das praktische Segeln und Seemannschaft zu lernen.
Wie in den letzten Jahren üblich, standen zwei Wochen zur Verfügung. Die erste Woche ist dabei meist dem Sammeln von Seemeilen, dem Vertiefen der Navigation und der Umsetzung der theoretischen Wetterkunde gewidmet. Die beiden Schiffe „Brigadoon“ und „2 fast 4 you“ segelten in der ersten Woche von Heiligenhafen über Kühlungsborn, Warnemünde und Boltenhagen, nach Travemünde und über Orth (Fehmarn) wieder zurück nach Heiligenhafen.
Von den 177 zurückgelegten Meilen konnten aufgrund der guten Wetternavigation immerhin 131 unter Segel ins Logbuch eingetragen werden.
In der zweiten Woche stand mit der „Beauty II“ ein drittes Schiff für die Ausbildung zur Verfügung. Den 12 angehenden Skippern galt es, die wichtigsten Handgriffe für das Boje-über-Bord-Manöver beizubringen. Neu in die Prüfungsordnung aufgenommen wurde dabei, dass die Boje nicht nur rein unter Segel zu bergen ist, sondern dass auch der Motor zur Unterstützung hinzugenommen werden kann. Ein Manöver, das im Notfall sehr viel effektiver anzuwenden ist. Wie praxistauglich es tatsächlich war, konnten wir alle am Donnerstag (einen Tag vor der Prüfung) bei Windstärke 6, Regen und schäumenden Wellen leibhaftig erleben.
Zum Glück fand die Prüfung erst am Freitag statt. Bis dahin hatte sich der Wind ein wenig beruhigt und bei 2-3 Beaufort gelangen alle abzuprüfenden Manöver auf See. Auch die neuen obligatorischen An- und Ableger eines jeden Kandidaten fanden die Zustimmung der Prüfer. Nachdem die Fragen zu Gasanlage, Navigation und Wetter unter Deck von allen Prüflingen mit Bravour beantwortet wurden, blicken nun ein dutzend angehende Skipper frohen Mutes in die seglerischen Zukunft.
Die Ausbilder Reinhard Beer, Doris Schmidt, Herbert Beyer, Christine und Andreas Jordan wünschen den neuen Skippern alles Gute und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.
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SCR-Weinwanderung 2017
Auf Schusters Rappen durch heimische Weinbergslagen...
Im Rheingau lernt man schnell, dass „shopping“ viel mit lokalen Weinen zu tun hat. Und um die Rieslinge und andere feine Gewächse kennen zu lernen, macht man sich am Besten zunächst mal mit deren Anbau – vor Ort im Weinberg vertraut. So haben mehr als 20 wanderfreudige Clubmitglieder und Gäste am 23. April 2017 die diesjährige Wein-Wanderung im Schloß Vollrads begonnen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Unter der Leitung des erfahrenen und geschätzten Gästeführer Olaf Fuchs ging es durch die Weinberge oberhalb von Oestrich-Winkel bis zum Schloß Johannesberg und zurück. Die Route schloß auch einen Abschnitt im Vollradser Wäldchen mit ein und verlief auf alten Pfaden entlang an noch älteren Mauern, die helfen, das Gelände zu terrassieren und die wertvollen Reben vor kalten Nord-Winden zu schützen. Ein wunderbarer Ausblick reihte sich an den nächsten und der Blick von oben auf unser schönes Segelrevier vor der Haustür ergab ganz neue Perspektiven. Selbst das Wetter spielte mit, so daß die Strecke durch die Weinberge bei angenehmen Temepraturen gut zu bewältigen war.
Eine gesellige Veranstaltung macht durstig und so ist es kaum verwunderlich, dass bei den Zwischenstopps auch feinste Weine der Region zur Probe angeboten wurden. Dazu wusste Olaf Fuchs stets auch über den Winzer und die Besonderheiten der einzelnen Weine sowie die jeweiligen Lagen zu berichten. Auch geschichtliches zur Region und lokale Themen wie der ehemalig intensive Kranbetrieb zur Verladung von Weinfässern oder auch die Tradition der Mühlen im Rheingau wurden erläutert.
Für eine Stärkung zwischendurch war eine deftige Brotzeit organisiert (bei der Gelegenheit auch noch ein Dankeschön an das Helferteam im Hintergrund). So gestärkt konnte der Rückweg zum Schloss Vollrads mühelos bewältigt werden. Und alle Beteiligten waren sich einig: eine rundum gelungene Veranstaltung, die auch im nächsten Jahr ihre Fortsetzung finden soll. Wir sagen an der Stelle auch noch einmal der „Mausi“ einen herzlichen Dank für Ihren Einsatz und die Organisation der SCR-Weinwanderung! Ein dickes Dankeschön auch an Renate Quermann, die die vielen schönen Momente im Bild fest gehalten und zur Verfügung gestellt hat!
Euer Steffen
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Lemsteraak Felicita – Auf nassen Sohlen zu Europas Metropolen – Teil 3 von Claudia & Arno Glauner
Reisebericht Nr. 3 – Juli 2017
Hallo und guten Tag ihr Lieben,
bei hochsommerlichen Temperaturen starteten wir von Seneffe aus, einem kleinen Hafen am Charleroi Kanal südlich von Brüssel die Weiterfahrt. Zuvor noch ein Schreckensmoment: eine kleine Peniche mit Besatzung im Hippielook hatte sich beim Auslaufen aus dem Hafen nicht nur in unserem Anker verhakt, sondern auch andere Schiffe und Stege touchiert. Wir waren froh, als sie außer Sichtweite waren und überlegten schon, wo wir auf dieses Schiffswrack stoßen würden. Doch berichtete uns eine Australierin später in Namur, deren Schiff ebenfalls touchiert wurde, dass die Besatzung mit ihrem Schiff durchaus ihren Weg gemacht hatte und fügte hinzu: „Man wächst mit seinen Herausforderungen und Aufgaben.“ Sehr bemerkenswert diese Aussage. Nach Meinung des Skippers jedoch nicht der richtige Ansatz und auch nur schwer nachzuvollziehen.
Und schon begann eine anstrengende Fahrt! Bei über 30 °C und schwüler Luft bewältigten wir 7 Schleusen in dem völlig verdreckten Charleroi Kanal. Vor den Schleusen sammelte sich in dieser Kloake der Wohlstandsmüll und dazu als Landschaftsbild links und rechts des Kanal einige wenige funktionierende Fabriken und Förderbänder, in der Mehrzahl aber still gelegte Industriebrachen aus der Zeit, als die Stahlproduktion in der Wallonie noch florierte. Soviel Trostloses hatten wir zuletzt auf unserer Reise 2015 nur bei Eisenhüttenstadt gesehen. Charleroi machte da nur mit wenigen Häusern eine kaum wahrnehmbare Ausnahme.
Kein Wunder, dass wir kaum anderen Schiffen begegneten- in 8 Stunden nur 5 Berufsschiffen und 2 Freizeitschiffen, dafür sahen wir jedoch umso mehr Radler entlang der Ufer – offensichtlich das Hobby der Belgier.
Etwas erschöpft fuhren wir am nächsten Morgen weiter und – welche Wohltat – die Hänge am linken und rechten Ufer wurden immer grüner, bis vor uns die Silhouette von Namur auftauchte, eine wirklich schöne Stadt, gelegen am Zusammenfluss der Sambre, die wir kurz vorher erreicht hatten, und der Meuse (Maas) mit einer gigantischen Festungsanlage im Mittelpunkt des Geschehens –ähnlich Ehrenbreitstein. Der Blick von oben auf Namur wie auch von unserem Hafen hinauf auf die Zitadelle war gleichermaßen eindrucksvoll.
Überall wehten Fahnen „Namur en fete“ und „Jambes en fetes“. Jambes war der Ortsteil am linken Maas Ufer, wo unser Schiff lag und wo es viele Alltagsgeschäfte gab, so auch den Metzger „Wadi“, der täglich sein hervorragendes Fleisch anbot: Rind, Kalb, Lamm, Geflügel und sogar „Zicklein“, was den Skipper motivierte, daraus ein hervorragendes Ragout zu bereiten. Ja, wir leben gut an Bord. Von unseren Konserven abgesehen, gibt es fast täglich frischen Salat- Chicorée, Gurke, Tomaten, Endivien oder Freilandsalat; Gemüse: Lauch, Spinat, Mangold, Möhren, Sellerie, Spargel, Paprika, Zucchini. Fisch war zunächst Mangelware. Auf die Erdbeeren mussten wir lange warten, dafür gab es in Frankreich später hervorragende Aprikosen (Da musste Claudia an Bord natürlich Marmelade kochen). Auch die Getränke passten. Neben den belgischen Bieren und Cidre – besonders gut bei Hitze-, als Weißweine Muscadet und Tourraine und die roten Weine: Cote du Rhone, Bordeaux, Saumur von der Loire.
Das Stadtbild von Namur mit seinen prächtigen Häusern und Kirchen aus dem 17. und 18. Jahrhundert zeugte von seiner Historie. In der Gegenwart ist die Stadt sehr bemüht, der Region eine neue Identität zu verleihen. Mit Namur hatten wir nach Antwerpen und Brüssel die dritte belgische Großstadt kennengelernt, jede mit einem ganz eigenen Charakter und ganz eigenen Menschen, die wir bei dem Straßenfest in Namur und einigen guten Gläsern belgischen Bieres auf uns wirken ließen.
Nach einem ersten Bad in der Maas, die im Gegensatz zur Sambre sehr sauber wirkte, und der Abkühlung mit grauem Himmel ging es die Maas weiter aufwärts, einem landschaftlich besonders schönen
Teil unserer Reise: vorbei an üppig bewaldeten, grünen Hängen oder auch steilen und blanken Granitfelsen- ein Eldorado für Kletterer. Der Skipper rief ein ums andere Mal aus: „Wie an der Mosel“ (nur eben keine Weinhänge).
Wir legten in dem kleinen, hübschen Ort Profondeville an und freuten uns schon auf eine gut gekühlte Erdbeerbowle am Abend, als wir eine unerfreuliche Entdeckung machen mussten: der Kühlschrank funktionierte nicht. Arnos Versuch, die dafür zuständige Batterie in einer nahe gelegenen KFZ – Werkstatt aufzuladen, schlug fehl, obgleich sich die Belgier auch hier wieder als überaus hilfsbereit erwiesen. Für uns blieb nur eins: Cornelius, Arnos Sohn, erhielt den Auftrag, am nächsten Wochenende, wo ohnehin der Besuch mit Familie geplant war, eine neue Batterie mitzubringen.
Vor uns an der Anlegestelle, lag in diesen Tagen eine große, wunderschöne und neue Peniche. Mit den holländischen Besitzern Saska und Ekko kamen wir schnell ins Gespräch. Sie zeigten uns ihr neues, selbst entworfenes und wirklich schönes Schiff, mit dem sie im Sommer als Charterschiff unterwegs sind. Wir trafen sie später mehrmals wieder und tranken ein Glas Wein bei uns oder durften bei ihnen ein Vier- Gänge- Menü genießen, das manchem Koch zur Ehre gereicht hätte.
Außer vielen guten Tipps bezüglich Liegeplätze, Einkaufsmöglichkeiten mit Spezialitäten erhielten wir für unsere Weiterfahrt von diesen erfahrenen Schiffsfahrern und so sympathischen Menschen noch ein tolles Buchgeschenk „Imray – Inland Waterways of France“ und noch einen dicken Schiffselektrik – Katalog. Dies war die Initialzündung für den Skipper, für die notwendige Erneuerung unsere Elektroanlage die dafür erforderlichen Planung selber in die Hand zu nehmen.
Unser nächstes Ziel, die einzige noch zugängliche Maas-Insel Yvoir, ließen sowohl beim Skipper wie bei Claudia Vergleiche mit Hammerstein, unserer Heimatinsel oberhalb von Brohl am Rhein gelegen, aufkommen: Fluss, Straße, Eisenbahn mit regem Güterverkehr (in der Nacht hatte man den Eindruck als wenn die Güterzüge durch unser Schiff rumpelten) eingeschlossen von bewaldeten Hängen rechts und links.
Dort freuten wir uns auf Cornelius mit Stephie und der kleinen Leonie, die gegen Abend eintrafen. Wir holten sie mit einer Mini- Seilfähre ab, die wir selbst betätigen konnten. Und pünktlich bei der Überfahrt brach dann auch das angesagte und heftige Gewitter über uns herein. Nach dem Einbau der aus Deutschland mitgebrachten 40kg schweren Batterie am anderen Morgen, einem Spielplatzbesuch und Schwimmen bei mittlerweile angenehmen 24°C Wassertemperatur fuhren wir die Maas über mehrere Schleusen weiter aufwärts. Cornelius stand viel am Steuer, während wir mit Wasserspielen im Bordeimer versuchten, die kleine Leonie bei Laune zu halten – nicht einfach für die Kleine, gerade mal stehen und laufen können, die dumme Schwimmweste muss auch bei der Hitze getragen werden, das Köpfchen stößt auch immer irgendwo an und zum Schlafen ist so eine Schiffsreise auch nicht geeignet, weil es so viel zu sehen und anzufassen gibt.
Wir beobachteten die vielen Felsenkletterer in den zum Teil fast senkrechten und glatten Felswänden rechts und links. Über Dinant – wiederum mit einer eindrucksvollen Festungsanlage und dem gegenüberliegendem gigantischen Leffe Brauhaus – ging es über Waulsort, zu einem kleinen, gemütlichen Yachthafen, nach Givet, dem ersten Ort in Frankreich, wo wir unsere Vignette für die französischen Kanäle und die Fernbedienung für den Maas- und Ardennenkanal erhielten. Cornelius hatte mit Arnos Rad am Ende des Tages jeweils das Auto nachgeholt, und so nahm die junge Familie am Pfingstmontag von uns Abschied und „wir Alten“ blickten auf ein turbulentes, aber schönes Wochenende zurück.
Unterwegs auf und entlang der Maas fielen uns die unendlich viele Gänse – weiße Gänse, kanadische Schwarzhalsgänse und bunte ägyptische Gänse- mit ihren zahlreichen Jungen auf.
„Allons enfants de la patrie“- ja, wir waren jetzt in Frankreich mit der Trikolore als Gastlandfahne am Geräteträger (Notmast). Zu unserem Bedauern bemerkten wir schnell, dass es kein Rückgabesystem für Leergut gibt, wie wir das von uns, Belgien und den Niederlande her kannten. Na, ja irgendeinen Unterschied musste es schließlich geben.
Navigationsmäßig merkten wir das ebenfalls sehr schnell. Die erste Tunneldurchfahrt (Premiere) wartete auf uns – der 560m lange, 5,80m breite und 3,60m hohe unbeleuchtete Tunnel bei Ham. Für unsere „Felicita“ mit einer Breite von 4,90m einschließlich der Fender, einer Höhe von 3,50m bei gelegtem Mast nicht ganz einfach. Es wirkte jedoch wie eine Spazierfahrt durch eine Tropfsteinhöhle. Der Skipper meisterte das problemlos, abgesehen von ein wenig Herzklopfen und Anspannung. Auch die ersten Automatikschleusen stellten für uns keine Herausforderung dar, sieht man mal von der Schleusenbreite mit 5,20m mit turbulentem und verwirbeltem Wasser vor der Schleuseneinfahrt ab. Etwa 300 Meter vor der Schleuse stand eine Säule, in deren Nähe man auf einen gelben Knopf der Fernbedienung drücken musste. Das untere Schleusentor öffnete sich, bei grüner Ampel – Einfahrt in die Schleuse, Poller oder Festmacher suchen; wenn die Schleusenwände zu hoch sind und man die Poller vom Schiff aus nicht belegen kann, die Schleusenleiter hoch und die Festmacher über die Poller, sorgfältiges Festmachen mit Bug- und Heckleinen, denn an manchen Schleusen schießt das Wasser beim Schleusen mit ungeheurer Energie in die Kammer, und da sollte man sein Schiff gut vertäut wissen; dann eine blaue Stange ca. 5 Sekunden nach oben drücken (eine rote Stange 5 Sekunden nach unten, unterbricht sofort alle Funktionen und nur der Service kann einem dann noch helfen), das untere Schleusentor schließt sich und der Schleusenvorgang läuft mit dem Öffnen des oberen Tores automatisch ab. Nicht immer schleusten wir alleine – manches Mal zu zweit oder zu dritt – dann sollte man tunlich zusammenarbeiten und helfen wenn es mal nicht so klappt, die Ruhe bewahren, dann gibt es fast keine Probleme.
Mit einem beständigen Wechsel von Sonne und Regen, dazu einem stürmischen Wind erreichten wir Fumay, gerade rechtzeitig ehe ein schrecklicher Platzregen mit Hagel vermischt einsetzte. Saska und Ekko, die mit ihrer Peniche direkt vor uns lagen, halfen uns schnell noch beim Festmachen und zeigten uns, nach „Urker Art“ festzumachen, also wie man die beiden Vorleinen an nur einem vorderen Poller schiffig und sicher belegt- eine sichere Methode, die wir übernommen haben und oft nutzen und bei uns nun „mach Urk“ heißt.
Wir gönnten uns einen „Hauswirtschaftstag“ mit Wäsche waschen, Marmelade kochen, Bericht schreiben. Ergänzten unsere Vorräte auf dem Markt und beim Metzger Snoek, der eine besonders gute „Boudin Blanc“ (unserer Weißwurst vergleichbar) und ganz hervorragenden gekochten Schinken hatte.
Das Festmahl – herrlichen Spargel mit diesem Schinken- genossen wir am folgenden Abend in Laifur- in völliger Einsamkeit und Natur pur. Laifur selbst ist ein kleiner Ort, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Ein verblichenes Schild am Ufer zeugte von einer belebteren Vergangenheit: „Alimentation“ (Lebensmittel), Restaurant, Tabac/Journal und „Depot de pain“; allerdings dieses Brotdepot existierte nur noch in der Post von 9.30 bis 11.30Uhr auf Vorbestellung. Ansonsten trafen sich nachmittags die „Dorfschönheiten“ auf der Bank zu einem Plausch. Und später war dann völlige Stille, nur noch eine Peniche vor uns, am Ufer Laubwälder, wie wir sie noch nie gesehen hatten. Gibt es ein Paradies auf Erden? Einen Zipfel davon erhaschten wir hier in Laifur.
Aber nur zeitweise. Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Also musste der Skipper anderntags ran: mit Regenjacke und Mülltüte als Spritzschutz über seinem Rucksack schwang er sich nach dem ersten Wolkenbruch auf sein Rad, kehrte später nach weiteren Regenschauern völlig durchnässt und verdreckt wieder, aber mit Baguette, Pasteten, Camembert, Salat, Butter und dem Bericht über einen Angler, der gerade einen Riesenwels von 4kg aus dem Wasser gezogen hatte. Zum Glück beschränkte
sich der Regen auf einen Tag, denn an diesem Samstagmorgen trafen unsere Freunde und Doppelkopfpartner Reinhard und Birgitta in Laifur ein, für beide eine Premiere an Bord eines solchen Bootes. Nach Frühstück und Sicherheitseinweisung fuhren wir bei strahlendem Sonnenschein die Maas immer weiter flussauf. Wie selbstverständlich übernahm Reinhard dann auch das Steuern, nur die Schleusenmanöver wurden von der „Stammcrew“ ausgeführt.
In Charleville, der Departement-Hauptstadt der Ardennen Region, legten wir an. Welches quirlige Leben nach unserer Einsamkeit. Reinhard, Gitta und Claudia machten einen Stadtrundgang und waren beeindruckt von der im 17. Jahrhundert so geometrisch angelegten Stadt, vor allem dem imposanten „Place Ducale“. Die Rathäuser in Frankreich sind durchweg in schönen, historischen Gebäuden untergebracht, weithin erkennbar an den Trikoloren, die zahlreich dort wehen, bis zu 16 Stück an einem Gebäude haben wir gezählt.
Claudia entschied sich kurzfristig, mit Gitta und Reinhard nach Deutschland zurückzufahren, da sie seit Tagen Zahnschmerzen hatte, kehrte aber schon zwei Tage später zurück an Bord- dies Dank Reinhard, der sie mit dem Auto nach Charleville fuhr, da sich die Zugverbindung als katastrophal erwies. Einen großen Dank noch einmal an Reinhard! Ja so ganz ohne die Unterstützung von Freunden und Familie geht eine solche Reise wohl doch nicht.
Anderntags setzten wir unser Reise auf dem Ardennenkanal fort. Durch eine wunderbare, friedvolle Ardennenlandschaft mit beindruckender Flora und Fauna, reich an Fischen (Wels, Hecht, Zander und Barsch, Friedfischen, etc.), wunderschönen sich paarenden Libellen, Gefieder von Enten, Gänsen, Wachteln, Rebhühner, Falken bis hin zu Rohrweihen, vorbei an wirklich großen Getreidefeldern. Und noch etwas fiel uns besonders auf – die vielen unzähligen Walnussbäume entlang der Kanäle, der Marne bis nach Paris und dazu mit üppigstem Fruchtbehang.
Immer noch ging es aufwärts bis zur Wasserscheide bei Chesne und einer kleinen Schwierigkeitssteigerung für den Skipper, die Schleusen waren jetzt zum Teil nur noch 5,05m breit. Nach 98 Schleusen seit unserer Abfahrt und der letzten Schleuse vor Chesne bei Sauville war die letzte Wasserscheide der Ardennen mit XXXXm ü.NN erreicht. Wie sagte doch Freund Rudi Altig: “Wir sind auf der einen Seite den Berg raufgefahren und auf der anderen Seite wieder hinunter“.
Eine Schleusentreppe mit 27 Schleusen auf 12km Länge führte uns dann schnell abwärts auf die Aisne nach Attigny. Mittlerweile trafen wir auch Schiffe und Crews wieder, denen wir schon zuvor begegnet waren: der smarte Australier, der morgens am Picknicktisch mit Spiegel seine Bartpflege betrieb und abends auf dem Radweg seinen Golfabschlag mit Driver und 7ener Eisen trainierte; das britische Schiff mit einer Engländerin, die mit allem und jedem freudig und dauerhaft parlierte und lachte und Arno fast in den Wahnsinn trieb, oder der joviale holländische Schinkenhändler mit seiner jungen, attraktiven Frau, mit denen wir einen Tag lang gemeinsam schleusten.
Nach Rethel zog es uns wieder in die Einsamkeit nach Asfeld der Partnerstadt von Hersefeld, wo wir neben einer bedeutsamen Kirche auch einen deutschen Soldatenfriedhof mit über 1.500 gefallenen Soldaten besuchten. 19 Soldatenfriedhöfe im Umkreis von Reims führen uns die leidvollen und schrecklichen Zeiten des 1. und 2. Weltkriegs vor Augen. Umso mehr Erstaunen auf den Straßenschildern, dass die deutschen Partnerstädte immer an erster Stelle stehen, Beginn und Symbol für die deutsche – französische Freundschaft. So z.B. ist Sillery/Champagne, wo wir später anlegten, die Partnerstadt von Adenau. Hautvillers die Partnerstadt von Kiedrich/Rheingau. (Karl-Heinz mit den besten Grüßen).
Und weiter ging es auf dem Aisne- Kanal vorbei an Eichen, Buchen, Ahorn, in Richtung der Champagne, mitunter den Blick frei auf die nicht endenden Getreidefelder, hin und wieder ein Silo am Ufer. Früher wurden hier Zuckerrüben und Getreide mit den Penichen (Kanal-Flussschiffe) abtransportiert und der
Kanal hatte eine viel größere Bedeutung gerade in dieser Gegend, die offenbar die Kornkammer Frankreichs ist. Die Gänse waren Enten, Blesshühnern und Wachteln gewichen, die Fischreiher zogen nach wie vor ihre Runden. Fernab der Zivilisation konnten wir an ganz ruhigen Liegestellen nunmehr im Verbindungskanal Aisne-Marne die Natur genießen, mit täglichem Schwimmen in dem sauberen Wasser des Kanals.
Aber wie war das noch mit der Ruhe vor dem Sturm? Der kam noch heftiger als in den Hafenhandbüchern beschrieben: Der Hafen von Reims war Lärmterror schlechthin! Auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals waren Stadium und die Autobahn Richtung Paris, Brüssel, Calais, auf unserer Seite eine vierspurige Straße und über uns eine Autobrücke. Lärmpause war von Mitternacht bis vier Uhr.
Da war der Gang durch die Stadt die Erholung pur, und der Anblick der Kathedrale aus dem 13. Jh. von draußen und drinnen verzauberte zumindest zeitweise: die wunderschönen alten Kirchenfenster, einige von Chagall und expressionistisch anmutende in leuchtenden Farben von dem deutschen Künstler Im Knobel, dazu die 230 unglaublich präzise gearbeiteten Statuen. Dem lächelnden Engel am Eingangsportal sagt man nach, er habe ein Glas Champagner getrunken. Der Champagner bestimmt das Stadtbild auf Schritt und Tritt, genauso wie die honigfarbenen Steine, die hier, wie auch in den Dörfern vorher, Grundlage vieler Häuser sind, was den Orten ein freundliches Aussehen verleiht. Schade- diese Stadt hätte mehr als einen Tag verdient, wäre da nicht der Hafen gewesen. Also fort in das kleine Örtchen Sillery, wo es sich bei der Hitze aushalten ließ, zumal dies ein vorzüglicher Startpunkt in die „Montagne de Reims“ war, in die berühmten Weinberge des Pinot Noir und Chardonnay, aus denen der Champagner hergestellt wird.
Wir radelten durch die Weinberge rauf und runter, manchmal mühsam, in die Weinorte Verzenay, Verzy, Prunes und besuchten einen 150 Jahre alten Champagnerbetrieb, ein Familienunternehmen mit modernen Produktionsanlagen. Einige Tage später in Bourcy stießen wir per Zufall auf den Seniorchef eines kleineren Familienbetriebs. Er zeigte uns neben den modernen Anlagen seines Betriebes auch die alten Keller, in denen die Champagnerflaschen z.T. noch gelagert werden. Riesige von seinen Urgroßvätern von Hand gehauene Stollen und Keller tief unten in den Kreidefelsen. Dort mussten früher die Champaganerflaschen jeden Morgen noch per Hand gedreht werden. Wir kosteten den „Königswein“ von Bouzy, den Wein, den die Könige früher nach ihrer Krönung in Reims tranken. Erstaunlich, dass wir mit unseren Rädern heil wieder auf unserem Schiff landeten. Den erstandenen Wein und Champagner schaffte uns der Chef mit seinem Lieferwagen persönlich an Bord – nicht ohne uns vorher ausführlich sämtliche Sehenswürdigkeiten Tours sur Marne, Bouzy und der Umgebung gezeigt zu haben.
Leider machte in Sillery unser Laptop schlapp – nichts, aber auch gar nichts mehr war auf der Festplatte. Also wurde er per Express nach Sinzig geschickt, und wir erhielten ihn erst später in Paris so repariert zurück, dass wir unsere Berichte schreiben können.
Derweil fuhren wir gemütlich auf dem Marne-Seitenkanal von Weinort zu Weinort, immer mit Blick auf die endlosen Weinberge und die zahlreichen Schleusen gerichtet. Schade, dass ausgerechnet am ersten Juli- Wochenende das Wetter umschlug und das große Champagnerfest der Region Epernay vom Regen getrübt war. Beeindruckend das Feuerwerk und die fast einen Kilometer lange „Avenue de Champagne“, eine absolut einmalige Straße und nicht umsonst Weltkulturerbe. Hier reihen sich in bombastischen, hochherrschaftlichen Gebäuden die Champagnerhäuser – allen voran Moet et Chandon mit Dom Perignon aneinander. Das Eigentliche jedoch spielt sich unter der Erde ab: 120 km Lagerfläche für den Champagner. Immerhin soll es 300 Champagnerproduzenten geben, die 307 Millionen Flaschen Champagner jährlich herstellen und in alle Welt verschicken. Da muss man doch die Frage erlaubt sein – wo kommen die Trauben für so viel Wein her?
Ein kleines Fazit des 1. Teils unserer Reise. Der Wasserweg mit unserer „Felicita“ von Workum aus über die Flüsse und Kanäle nach Paris war ein Fest der Freude, der Sinne, des Gaumens (lecker Essen und Trinken), der Natur, der Ruhe aber auch der Kultur die Kathedralen in Reims und kurz vor Paris in Lagny, der Wirkstätte der Jungfrau von Orleans oder auch den „Fabel-Ort Chateau-Thierry, den Geburtsort von La Fontaine.
Aber auch navigatorisch – jede der insgesamt 590 sm ein Genuss; die 147 Schleusen, die 5 Tunnel-Durchfahrten und das Schiffshebewerk in Ronquieres bleiben in tiefer Erinnerung. Dass wir dies alles ohne nennenswerte Karambolagen und Unfälle meistern konnten, ist schon bemerkenswert. Unter anderem hatten wir den Liegegeld/Reisetage-Faktor eingeführt. Dieser Faktor lag bei der Ankunft in Paris bei unter 6EUR/Tag (Brüssel eingeschlossen), so preiswert waren wir noch selten unterwegs gewesen.
So gewappnet näherten wir uns Paris, auch wenn die Ufer rechts und links der Marne ca. 20km von der Hauptstadt noch nichts von der Metropole erahnen lassen – herrliches Grün, Natur und prächtige Villen. Nur ein Indiz hierfür gab es: keine freien Liegeplätze in den kleinen Häfen der Marne, die wir anliefen. Na, ja der Skipper findet immer noch ein Plätzchen, und wenn es der Liegeplatz am Warteponton vor der Schleuse nach Paris war. In Paris selbst haben wir ja unseren Liegeplatz im Arsenalhafen bereits vor einem halben Jahr gebucht. Nun sind wir im Arsenalhafen mitten im Zentrum von Paris angekommen und sind voller Erwartungen.
So Gott will bis Honfleur und bis dahin liebe Grüße von eurer Claudia und Arno
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Berichte
Lemsteraak Felicita – Auf nassen Sohlen zu Europas Metropolen – Teil 2 von Claudia & Arno Glauner
Reisebericht Nr. 2 – Juni 2017
Hallo und guten Tag ihr Lieben,
am Mittwoch, dem 26. April brachen wir von Sinzig mit dem Rest unseres Gepäcks und dem restlichen Proviant zu unserer dritten Reise auf. Bereits nach Grenzübertritt sahen wir die ersten herrlichen Tulpenfelder in strahlendem Weiß und Gelb, leuchtendem Pink und Feuerrot, saftig grüne Wiesen mit Lämmern und Kühen – und schließlich die ersten kleinen und größeren Wasserwege, die wir überquerten – auch schon mit Segelbooten zeigten uns, dass wir uns unserer zweiten Heimat näherten: Friesland und Workum.
Claudia konnte die Winterarbeiten von Arno und die abfahrtbereite (gestreckter Mast, mit Geräteträger, Dampferlaternen und Antennen) Felicita bestaunen. Unsere nicht optimal funktionierende Heizung war leider ein kleiner Wermutstropfen. Das spürten wir in den ersten, sehr kalten Tagen empfindlich, besonders nachts. Und so griff selbst der Skipper zum ersten Mal in seinem Leben (!) zu einer Wärmflasche, und morgens mussten wir uns schon ein wenig Mut zusprechen, wenn wir bei einstelligen Temperaturen aufstanden. Aber wie sagt Arno immer: “Ein Schiff ist nichts für Warmduscher!“ Und er brachte es dann auch tatsächlich fertig, sich morgens (allerdingst nicht auf Dauer) kalt zu duschen, obwohl unser Schiff hier anderes zu bieten hat.
Immerhin schien zu unserer Abfahrt herrlich die Sonne, und so schipperten wir durch uns sehr bekannte Gewässer auf den Kanälen bis Urk und weiter ins Ketelmeer, zu Segelfreund Nöppys Heimathafen, Ketelhaven. Mit unserer Höhe von 3,90m bei gelegtem Mast konnten wir gut alle 4,20m hohen Brückendurchfahrten passieren.
Gut dass wir das Ijssel- und Ketelmeer noch am Tag zuvor durchfahren hatten, denn am folgenden Morgen blies ein mehr als heftiger Wind im Randmeer, so dass selbst Surfer locker mit enormer Geschwindigkeit an uns vorbei rauschten. Ja, der Wettergott packte bereits das volle Programm aus, denn im Regen erreichten wir tags darauf Muiden, ein Wiedersehen, nur wirkte dieser wie die meisten Orte noch sehr ruhig.
Vielleicht lag es auch an der Kälte. Wir waren eingepackt wie für eine Polarexpedition und fragten uns, ob wir schon immer so verfroren waren. Eineinhalb Stunden Wartezeit im Regen an der Eisenbahnbrücke kurz hinter Muiden (Brückendurchfahrtshöhe 4,10m und der Skipper traute sich nicht da durchzufahren) waren nicht eben motivierend, unsere Fahrt auf dem Flüsschen Vecht fortzusetzen. Den Skipper zog es mächtig zu dem parallel verlaufenden Rijnkanal mit dem Argument: “Da kann man Meilen machen und mit den Großen (Binnenschiffen) fahren!“ Aber zum Glück ließ er sich doch erweichen, und die laut Törnführer herrliche Parklandschaft an der Vecht zu genießen. Und das war in der Tat eine wunderschöne Fahrt, im Laufe des Tages auch bei Sonnenschein. Dass hier die reichen Amsterdamer Kaufleute im 19. Jahrhundert herrliche Landsitze, kleine Schlösser und prächtige Villen in riesigen Parks am Fluss errichten ließen, ist nachvollziehbar. Der Wohlstand und kultivierte Geschmack der Bauten besticht bis heute und findet seinen Höhepunkt in den gläsernen Pavillons, den Teehäusern, die unmittelbar am Fluss noch heute zu bewundern sind, genau wie die prächtigen Villen.
So legten wir in einem solch schönen Ort Maarsen an, um von hier aus Utrecht zu erkunden. Allerdings konnte uns diese Stadt nicht sonderlich beeindrucken; vielleicht waren wir da einfach durch die einheitlich historischen Grachten und schönen Häuserfronten von Amsterdam zu verwöhnt. Und die gigantischen Einkaufszentren um den Bahnhof wirkten eher abstoßend als anziehend.
Also schnell wieder zurück auf unser Boot, noch einen Abendbummel an den Teehäuschen vorbei und dann den Mai Abend ausklingen lassen bei Erdbeerbowle und hervorragendem Spargel.
Am nächsten Tag konnte der Skipper wenigsten eine Weile die schnelle Fahrt neben Binnenschiffen auf dem Rijnkanal genießen, ehe es wieder ruhiger und beschaulicher auf der Holländischen Ijssel weiterging, nur eher deftig ländlich bis Gouda, uns auch bekannt aus dem letzten Jahr, nur viel ruhiger und leider auch kühler. Aber vielleicht gerade deshalb erschloss sich der Ort ganz anders, wir genossen die Grachten, das gigantische Rathaus, den Markt mit seinem Angebot an Obst, Gemüse, Käse, Brot. Ja erst als wir die Niederlande verließen, merkten wir, welches preiswertes Schlaraffenland wir durchfahren hatten.
Doch als hätte Gouda die Gutwetter-Garantie fuhren wir von dort bei dem ersten richtigen Sonnenwetter weiter, erst auf der holländischen Ijssel, dem Leck, dem Noord und Beneden Meerwerde nach Sliedrecht, wo sich die Werft Drinkwater befindet, die alle Ersatzteile für unseren Mercedes-Motor bereithält. Der Skipper hatte uns im Vorfeld angemeldet, und so wurden flugs ein neues Kühlwassergehäuse und eine neue Dieselhandpumpe eingebaut. Von dort aus machten wir einen Sonntagsausflug mit den Fahrrädern nach Dordrecht und mit dem Wasserbus zurück.
Mit repariertem Schiff und einem Loch in der Bordkasse fuhren wir gut gelaunt am Nachmittag los, und der Skipper gab die Parole aus: „Mach ein paar Häppchen! Jetzt kann der Urlaub so richtig beginnen!“
Leider dauerte dieser nur wenige Seemeilen, als der Motor heiß lief, einen lauten Warnton von sich gab und wir nur schnell einen kleinen Hafen anlaufen konnten, Seite an Seite mit zwei Binnenschiffen, die ebenfalls repariert wurden. Ein Tag Wartezeit, dann nahte Walli der junge Monteur von Drinkward, der uns bereits das Kühlergehäuse getauscht hatte mit neuer Wasserpumpe und Thermostat.
Nach einem halben Tag Arbeit, einem zweiten Loch in der Bordkasse konnten wir endlich weiterfahren – zunächst in bekannten Fahrwassern dem Hollanddiep zur Volkerak Schleuse, wo dieses Mal Berufs- und Sportschiffe gemeinsam geschleust wurden. Dort in der Schleuse waren wir mittlerweile wieder ein gut eingespieltes Team: Der Skipper fährt traumhaft dicht an die Schleusenpoller und Claudia ist mit den Festmachern und der entsprechenden Führung vertraut.
Über den Rhein-Schelde-Kanal vorbei an landschaftlich schönen Gebieten mit vielen Gänsen, Schafen und Lämmern ging es über das verschlafene Nest Tholen Richtung Belgien und durch die Kreekraksschleuse (eine richtige ausgewachsene Schleuse – ähnlich den Schleusen am Ober-Rhein) dem Eingangstor zum Antwerpener Hafen – faszinierend die mehr als zweistündige Fahrt durch den drittgrößten Hafen Europas, vorbei an den nicht endenden Docks, riesigen Petroltanks und bis zu 8fach gestapelten Containern. Und wir Seite an Seite mit gigantischen Hochseeschiffen, die von Schleppern bugsiert wurden, schipperten gemütlich unserm „Opa-chen“ hinterher, einem ganz kleinen Binnenschiff MS Destiny, mit 385to, das allein von einem alten Schiffer gesteuert wurde und dem wir seit der Schleuse folgten.
Durch zwei kleine Brücken erreichten wir das „Willemsdock“, einen überschaubaren Hafen im Zentrum von Antwerpen mit Blick auf das „MAS“, das Museum am Strom. Dieses faszinierende Gebäude war bis Mitternacht zugänglich, und so konnten wir gleich am ersten Abend von der Plattform im 10. Stock einen Blick auf Antwerpen werfen- beeindruckend in mehrfacher Hinsicht: nicht nur das Gebäude und die Aussicht über Antwerpen sondern dass man nachts völlig friedlich mit anderen, vielfach jungen Leuten ganz ruhig die Rolltreppen hinauffahren und den Ausblick genießen kann.
Antwerpen bot vieles: einen gut restaurierten, bombastischen, alten Bahnhof – er gilt als einer der schönsten der Welt, beeindruckte Kunst und Geschichte im Rubenshaus, sehr zu empfehlen, eine prachtvolle Einkaufsstraße, die ihresgleichen sucht. In phantastischen, gut restaurierten großen alten Häusern aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert sind hier unzählige Geschäfte völlig dezent und angepasst untergebracht, und so werden riesige historische Gebäude mit Leben gefüllt.
Zu Fuß und per Rad ließ sich die Stadt hervorragend von unserm Hafen erkunden, und dieser selbst war schön gelegen mit Blick auf die alten Speicherhäuser. Da sieht man schon einmal über die eine oder andere weniger schöne Seitenstraße hinweg, über bröckelnde Fassaden oder abenteuerlich an der Außenwand verlegte Stromkabel; kein Wunder dass in einem Supermarkt da für drei Stunden der Strom ausfiel. Schon hier deutete sich das Belgien an, das wir bald noch mehr kennenlernten.
Der Hauptstadt Brüssel näherten wir uns über den Zeekanal und einem vor uns fahrenden Berufsschiff, das uns alle Brücken öffnete. So konnten wir unser Ziel Grimbergen ins Auge fassen. Hier hatte sich der Skipper auf eine zünftige Führung durch die Bierbrauerei und entsprechendes Bunkern von belgischem Bier gefreut. Leider entpuppte sich der „VVW Grimbergen“, wie auf einem Schild am ehemaligen Clubhaus zu lesen war, als nur zwei baufällige Stege und auch der „R.N.V.“ als Alternative mit ebenso wenigen und etwas klapprigen Stegen, nur einer abenteuerlich aussehenden Steckdose für Strom, die belegt war, und einem geschlossenen Clubhaus, war nicht sehr viel besser. Welch Glück, eine Toilette und Dusche auf dem Schiff zu haben!
Was wir allerdings völlig unterschätzt hatten: Auch die Mücken hatten die Saison eröffnet, und so kramten wir nach dem ersten Surren nachts bei völliger Dunkelheit den Mückenstecker heraus, den der Skipper fachgerecht anschloss, was allerdings die bereits eingeschleusten Mücken wenig beeindruckte, sodass wir ziemlich zerstochen wurden.
Am nächsten Morgen begrüßte uns der Vorsitzende des Segelvereins. Ach ja, zwei völlig abgewrackte Segelboote lagen auch noch an unserm Steg. Allerdings stellten wir schon hier fest: die Belgier waren fast alle sehr freundlich und hilfsbereit. So standen in der Tram auch mehrfach Männer für Arno auf, auch wenn sie kaum jünger wirkten – Chapeau, aber sehen wir denn, schon so alt aus?
Nach Mückenabenteuern und maroden Stegen zog es nun auf schnellstem Weg zum Königlichen Yachthafen. Na ja, an dem Clubhaus stand zwar BRYC, aber königlich sahen weder das Gebäude aus, noch der Zugang zum Gelände über eine eiserne Hühnerleiter oder der Blick von unserm Liegeplatz auf die Brüsseler Müllverbrennungsanlage und das Elektrizitätswerk, noch der Lärm der umliegenden Straßen und der tief abfliegenden Flugzeuge von nahe gelegenen Brüsseler Flughafen. Da es aber der einzige Hafen für die Plaisierfahrt in Brüssel war, arrangierten wir uns damit!
In den nächsten Tagen eroberte Arno die Stadt zum Teil allein aber mit dem Rad, zum Teil gemeinsam mit Claudia zu Fuß und mit der Tram, in der sich die Vielfalt der Völker mischte. Ja, unweit des Hafens beginnt das „arabische Viertel“.
Claudia, die in den 80iger Jahren in Brüssel gelebt hatte, übernahm dann auch die Führung anderntags und erschloss Arno bei einem Rundgang die Börse, den „Grand Place“, die „Galerie St. Hubert“, den Stadtpark, den Kunstberg mit schönem Blick auf Brüssel und dem Museum mit den „Alten Meistern“ – Breughel, Rubens u.a. Die Kulisse am „Großen Platz“ ist überaus beeindruckend, die Straßenfassaden der in unmittelbarer Nähe liegender Gebäude jedoch zum Teil sehr abgeblättert. Ja, Brüssel kann man getrost auf die hinteren Ränge verweisen, wenn es um die Erhaltung alter Häuser und Sauberkeit geht- und das mitten im Zentrum! Dafür nimmt es gewiss den umstrittenen Platz 1 in Punkto Schokoladen- und Pralinenläden ein: Leonidas, Neuhaus, Godiva, Galler, Elisabeth, Marcolini- unzählbare süße Verführungen und gut für die Nerven.
Natürlich gibt es auch schöne Viertel, die der Skipper in der Nähe des Atomiums und Planetariums entdeckte oder Claudia gemeinsam mit Sohn Tobias und seiner Frau Belli, die für ein Wochenende nach Brüssel gekommen waren, um die Stätten von Tobis Kindheit zu besuchen. Und in der Tat hatte sich kaum etwas verändert. Selbst das Feld, durch das Tobias zur Schule gegangen war, existierte noch, genau wie die Deutsche Schule, die in einer wirklich schönen, ungemein gepflegten Straßen mit Villen und herrlichem Grün liegt.
Beeindruckend waren für uns auch das „Europaviertel“, die Hochhausbauten für Kommission, Rat und viele europäische Institutionen sowie der neue ästhetisch wirklich gelungene Hochhauskomplex für das Europaparlament. Hier wird einem deutlich die Entwicklung von Europa in den letzten Jahrzehnten vor Augen geführt.
Der Besuch des Magritte Museums und das in einem Jugendstilbau von dem Stararchitekten Horta untergebrachte Comic- Museum mit den uns allen so wohlbekannten Comicfiguren angefangen bei Tintin, Lake Luke, Dalton, Asterix (sehr zur besonderen Freude des Skippers) und viele mehr rundeten unseren Kulturtrip ab.
Zwei Highlights warteten am letzten Tag in Brüssel auf uns:
Arno hatte gleich an unserem 2. Brüsseler Tag beim „Capitano“, dem Mann für alles, im Hafen, gefragt, ob er helfen könne, eine Bierlieferung von belgischem Bier zu arrangieren. Unzählige Gespräche auf Deutsch und Französisch liefen zwischen Arno und Claudia, dem Capitano und dem Barkeeper hin und her, und eigentlich hatten wir die Hoffnung bereits aufgegeben, aber siehe da: 192 Flaschen Grimbergen, Trappist und Leffe, konnte Arno voller Freude und bei großer Hitze und vollem körperlichen Einsatz im Schiff verstauen. Nur keine Sorge es handelt sich um 0,33l Flaschen – also eine durchaus verträgliche Menge, wenn der Sommer lang wird.
Am Abend besuchten wir die Brüsseler Oper mit „Aida“ von Verdi, allerdings nicht im „Theatre de la Monnaie“ einem wunderschönen Bau, dem eigentlichen Spielort der Oper. Dort fanden wir eine Dreiviertelstunde vor Beginn der Aufführung verschlossene Türen. Ein Glück- ein netter Belgier klärte uns auf, dass das Theater renoviert würde und derzeit die Aufführungen bei „Thurn und Taxi“ in einem Zelt stattfänden. Mit einer Taxe erreichten wir in einem Gelände mit leicht verfallenen Fabrikanlagen noch rechtzeitig den Aufführungsort. Orchester, Chöre, Ballett, Sänger und ganz besonders eine traumhaft singende und bezaubernd natürlich spielende Aida ließen alles Ungemach vergessen. Übrigens war auf den Tickets „en miniature“ gedruckt „Opera de la monnaie à Thurn und Taxi“. Wer lesen kann, ist also deutlich im Vorteil.
Der Abschied von Brüssel fiel uns nicht so schwer, vorbei an Industrie- und Hafenvierteln, später an einer zunehmend hübschen Flusslandschaft, allerdings auch mit Industriebrachen im wallonischen Brabant. Dann begann ein kleiner Schleusenmarathon, sechs Schleusen auf nur 17 Meilen, mit entsprechendem Funkverkehr mal auf Französisch, mal auf Flämisch und einer antwortete auf Deutsch: „ Eins, zwei, drei- das Tor geht auf!“ Höhepunkt an diesem Tag war die Schleuse von Ittre Weltkulturerbe mit 14m Hubhöhe, zum Glück mit Schwimmpollern. Und dahinter tat sich ein kleiner See auf, Wiesenhänge, Bäume, Vogelgezwitscher, nach den Städten für uns wie ein kleines Paradies. Da fielen uns die 10EUR Liegegebühr nicht schwer, wenngleich der Skipper bedauerte, nicht den kostenfreien Liegeplatz entdeckt zu haben, um unsern LR Faktor (Liegegeld durch Reisetage) niedrig zu halten.
Am nächsten Morgen überwanden wir noch einmal einen Höhenunterschied von 67,50m beim Schiffshebewerk von Ronquiere, einem weiteren Weltkulturerbe. Wir fuhren in einen Trog, der auf Schienen eine schiefe Ebene hoch- bzw. runterfährt. Daneben ein Trog für die Talfahrt. Die Maschinerie funktioniert vollkommen durch und mittels Wasserkraft. Mit dieser Konstruktion sollte der Berufsschifffahrt die Fahrt auf dem Kanal Brüssel-Charleroi erleichtert werden, der in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg für Europaschiffe mit 1.350to ausgebaut wurde, jedoch bereits bei der Eröffnung durch den Niedergang der Stahlindustrie in der Wallonie in Frage gestellt war. Heute werden auf dem Kanal ca. 4 Mio. Tonnen Güter pro Jahr transportiert. Nicht besonders viel, um einen solchen Kanal zu unterhalten. Uns soll es recht sein, genießen wir doch die ruhige Fahrt mit wenig Verkehr auf dem Kanal bei hochsommerlichen Temperaturen und hoffen, dass es weiterhin so bleibt.
Noch ein Wort zu den Formalitäten, vor denen der Skipper eine fast manische Angst hatte. Alles ging reibungslos, jedoch mit dem erforderlichen bürokratischen Aufwand ab. Die provisorische FD Nummer zum Passieren des Antwerpener Hafens bekamen wir per UKW Funk an der Noorlandbrug, die ordentliche FD Nummer beim Hafenmeister im Willemdock. Eine Vignette mit dreimonatiger Gültigkeit für 40EUR zum Passieren des Zeekanals von Brüssel an der Schleuse Wintam bei Vorlage der Schiffspapiere und eine kostenfreie Immatrikulations-Nummer zum Befahren der Wallonischen Gewässer an der Ittre-Schleuse. Von Kontrollen durch die Port Polizei oder der entsprechende Wasserschutzpolizei sind wir bisher verschont geblieben. Vielleicht weil wir vorschriftsgemäß die hässliche Nummer des Internationalen Bootsscheines bereits im Winterlager im Vorschiffsbereich auf den Rumpf geklebt hatten. Na ja hoffen wir, dass wir von Offiziellen weiterhin verschont bleiben. Irgendetwas hat man ja immer vergessen oder nicht beachtet. Oder einfach wenn durch andere Freizeitkapitäne Schäden verursacht werden, wie heute Morgen beim Ablegen und dann eine Stunde später beim Wiederanlegen einer kleinen Peniche. Eigentlich ein schön restauriertes Schiff mit einer Länge von ca. 22m und 35to jedoch mit vier völlig hilflosen und unbedachten Gestalten, die nicht fähig waren, die Peniche an- und abzulegen und für sämtliche Schiffe im Hafen von Seneffe eine Gefahrenquelle darstellten und alle im Hafen anwesenden Skipper in Angst und Schrecken versetzten. Wir können nur froh sein, wenn uns so etwas nicht mal auf den Kanälen begegnet. Gerade das wäre ein Fall für die Ordnungshüter. Und weil wir gerade bei den Penichen sind – uns ist sowohl im Willemdok als auch später in Brüssel das Motorschiff Tula aufgefallen, eine wunderschöne Peniche, gebaut in England (erschwinglicher Preis) bei Piperboat, deren Eigner permanent an Bord leben und schöne Reisen in Europa unternehmen.
Noch ein Wort zu unseren Erneuerungen des letzten Winters, auf die Skipper Arno ganz besonders stolz ist- das sind der neue Heckanker Haltevorrichtung, eine Gemeinschaftsarbeit von Steelmaster Guys und Arno in vier Arbeitsschritten und die neuen Salon Gardinen, deren Stoff Claudia und Hilde auf dem Remagener Stoffmarkt ausgesucht haben. Das musste der Skipper mit Fotos entsprechend dokumentieren.
Soweit vom ersten Teil unserer Reise mit erst 21 Schleusen und einem Schiffshebewerk, die uns auf ca. 130m über NN gebracht haben und 273sm, die uns bis kurz vor Charleroi haben kommen lassen. Hoffentlich ohne körperliche Gebrechen, die man in unserem Alter ja nie ausschließen kann, melden wir uns Ende Juni aus Reims der Champagner Region Frankreichs und hoffen, dass es euch allen gut geht.
Bis dahin liebe Grüße von eurer Claudia und Arno
Die hier eingestellten Berichte von Reisen, Ausflügen, Erlebnissen und „Segel-Abenteuern“ werden von Mitgliedern für Mitglieder bereit gestellt. Wir danken daher unseren Bericht-Erstattern für Ihre Bemühungen und freuen uns auf zahlreiche, weitere Berichte. Bitte sprecht uns im Vorstand an, wenn Ihr etwas als Bericht veröffentlicht haben wollt.
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