Die diesjährige Herbstregatta hatte es farblich in sich. Insgesamt 31 Meldungen aus zahlreichen Bootsklassen sorgten für ein bunt gemischtes Teilnehmerfeld unter strahlend blauem Himmel (der den weißen Morgennebel rechtzeitig verdrängt hatte). Viele kamen aus Walluf und Wiesbaden einige sogar von Rüdesheim, Ingelheim und Mainz, insgesamt waren die Farben von acht Wasserportvereinen vertreten – so viele wie seit langem nicht mehr. Kleiner Wermutstropfen: Dem Wind war es es zu bunt geworden und und er kam nur zaghaft hinter den grünen Uferbäumen hervor.
Bevor es auf den silbrig schimmernden Rhein ging, gab es noch die Eröffnung durch SCR-Vorstand Alex Cross und die inzwischen traditionelle Begrüßung durch den Wallufer Bürgermeister Nikolaos Stravridis, der dankenswerterweise „Mutmacher“ für die erfolgreichen Jugendsegler des SCR mitgebracht hatte. Anschließend war dann Wettfahrtleiter Uli Rosskopf an der Reihe, jedoch nicht ohne sich vorher ein schräg-fröhliches „Happy Birthday“ zum jüngst überstandenen runden „Dreißigsten“ (oder so…) anhören zu müssen. Entsprechend beglückwünscht, ließ er es sich nicht nehmen, angesichts der Windlage den Tageskalender gleich einmal bunt durcheinander zu wirbeln.
Die Fun-Wettfahrt von Walluf nach Heidenheim wurde vorgezogen, um für die geplanten Rundenfahrten auf mehr Wind am Nachmittag zu warten. Bis dahin war jedoch nur Talfahrt möglich.
Wir treiben es bunt!
Dementsprechend begab sich das Teilnehmerfeld gegen Mittag auf den Rhein, wo es statt eines klassischen Linienstarts ab 12:30 ein Startfenster gab, in dem jedes Boot nach eigenem Gusto die Starlinie überqueren konnte. Die Zeiten wurden dann individuell genommen. Hierzu hatte sich der Wallufer „Großsegler Klattina“ am Ufer postiert und bot dem Startteam eine perfekte maritim-blaue Plattform, um die bunten Startflaggen zu hissen und sekundengenau auf die rot-weiße Spiere am Wallufer Molenkopf zu peilen.
Zwischen diesen beiden Startmarken wurde es knallbunt: Fast das komplette Startfeld war in farbenfrohe Spinnaker, Gennaker, Blister und Code Dingsdas (und wie sie sonst noch alle heißen) gehüllt. Strahlend bunte Vormwindsegel in allen Farben des Regenbogens, bestens geeignet um jeden Tropfen des wertvollen Ostwinds einzufangen (ein Schelm, wer da an die Skipper an der abendlichen Rieslingquelle denkt).
Trotzdem war es nicht einfach, die Leichtwindtücher zum Windfangen zu überreden, manchmal half auch die besten Leinen-Akrobatik nicht weiter. Wer taktisch geplant (oder spontan ungeplant) etwas später im Startzeitfenster losfuhr, profitierte schon von etwas mehr Wind, als die Eiligen. Wer die falsche Rheinseite gewählt hatte, litt bei sanft-spontanen Winddrehern unter der Abdeckung des falschen Ufers. Und wer seine Rennziege voranpeitschte, riskierte in den Windschatten eines Nachbarbootes zu geraten. Dazu kamen niedriger Wasserstand und viel Schiffsverkehr auf dem Kurs , was in Summe bei allen Beteiligten höchste Konzentration und Vorsicht erforderte.
An allen Schoten wurde gezupft und gezogen. Spibäume, Toppnanten und Niederholder waren im Dauerbetrieb. Die Rüssel auch. Ein bißchen wars wie beim Jungvögel-Füttern: Wer seinen bunten Hals am meisten nach oben aufsperrt, der bekommt vielleicht ein Würmchen mehr von Vater Wind zugeteilt. Und wer in einen farblosen weißen Spi investiert hatte — dem ist nicht zu helfen! (Wie soll der Wind auch so ein blasses Segel finden…?)
Auf Tuchfühlung
Derart verlangsamt zeigte sich das Feld eng beieinander und bot eine perfekte Fotokulisse für die Frühschoppen-Besucher an der Eltviller Uferfront. Es blieb sogar Zeit zum Zurückwinken. Und selbst wenn es sich auf den Booten in der Mittagshitze anders anfühlte: Es ging trotz wenig Strömung deutlich voran! (Rückmeldung aus einem der Begleitboote: „Wenn wir den Motor auskuppeln und treiben, dann sind wir klar langsamer als Ihr Segler. Ihr seid im also im optimalen Renntrimm!“)
Immerhin: Alle waren ausreichend manövrierfähig und der Großschiffahrt — häufig wenig begeistert von den vielen bunten Seglern auf „Ihrem“ Fahrwasser — wurde (nicht zuletzt auch dank kooperativen beidseitigem Funkkontakts) rechtzeitig Platz gemacht. Die Wettfahrtleitung, gut an der leuchtendgelben Flagge zu erkennen schob das farbenprächtige Feld mit dem dunkelblauen Begleitboot sanft zur Seite und wies den Weg. Der Großmeister der bunten Containerwürfel bedankte sich gerührt auf Niederländisch an der Funke („Ik wens je een mooie regatta“). So geht Freundschaft auf dem Wasser!
(Weniger freundschaftlich: Die beiden grellen Speedboote, die auch angesichts von mehr als zwei Dutzend Seglern querab ihre wilde Hatz nicht verlangsamten. Wir danken Euch für für Sog, Lärm und Wellenschlag! An alle anderen, die netterweise vom Gas gingen: Danke für die Abwesenheit derselben!)
Wild-bunter Zieldurchlauf
Hellblau! Wer diese Farbe nahe dem Leitwerk bei Heidenfahrt sah, hatte es geschafft. Auf dem in der Sonne leuchtenden Zielschiff wurden eifrig Zeiten gemessen und Segelnummern notiert. Auch wenn der mitgenommene Nachwuchs es lieber gehabt hätte, dem Feld wild winkend entgegenzufahren. Die Zielcrew blieb cool und konnte trotz eng getakteten Ankunftszeiten alle Segler erwischen. Und wer spät dran war konnte mit eigens mitgebrachtem frischen neuen Windhauch noch Plätze gutmachen.
Anschließend ging es für alle per Motor wieder zurück nach Walluf, wo schon die Nachricht wartete, daß die Fun-Wettfahrt die einzige des Tages bleiben sollte. Mister Wind ging es nicht so gut, liess er mit seinem letztem Atemhauch ausrichten, bevor er sich von der goldenen Sonne niederstrecken ließ. Somit fiel die noch geplante Rundenfahrt aus — aber ganz ehrlich, wer braucht schon einen stressigen Massenstart an der Linie, wenn es im Fun-Modus viel schöner geht. Wir empfehlen allen America’s und sonstigen Cuppern einmal dieses Format zu testen.
Die Ersten werden die Letzten sein
Nachdem für den Rest des Tages die bunten Segel eingepackt waren, blieb ausgiebig Zeit, um am roten Sonnenbrand zu arbeiten. Es sei denn man hatte sich am Spontanverkauf der UV-sicheren blau-weißen SCR-Clubbekleidung eingedeckt, den Markus Courtial freundlicherweise auf der schattigen Clubhaus-Terasse aufgebaut hatte. Die Jugendabteilung des Clubs, die 25% der Einnahmen erhielt, wird sich bestimmt über die rege Shoppingtätigkeit freuen.
Und das Regattabüro freute sich über genug Zeit für die höhere Yardstick-Mathematik mit diversen Wind- und Strömungsfaktoren. Dabei zeigte sich, dass die diesjährigen Bedingungen das farbenfrohe Feld bunt durcheinander gewirbelt hatten. Ein Yardstick-Leichtgewicht war dieses Mal keine Garantie für einen erfolgreichen Platz auf dem Treppchen. Und die manchmal geschmähten klassischen Revierhaie zeigten „Biss“ und entpuppten sich mehr als einmal im Ranking besser positioniert als allgemein erwartet. Am Ende waren 25 Boote im Ziel und es gab bei einer wie immer launigen Siegerehrung für alle Crews leckeren Rieslingsekt, für die Kinder Eis und für den Sieger den SCR Wanderpokal.
Gewonnen haben:
- „Jintonic“ (J/80) mit Marco Weiß und Crew
- „Déjà Vu“ (Farr 727) mit Jonas Lorson und Crew
- „Rheingold“ (30m2) mit Klaus Mehl und Crew
Auch gewonnen haben: Alle die sonst noch dabei waren und diese Herbstregatta zur buntestem seit langer Zeit gemacht haben und sich dabei an Sonne, Wasser und Bootfahren erfreut haben.
Und überhaupt: Schnell segeln wird völlig überbewertet!