Mehr Wind als befürchtet und „Pinocchio in Not“ — Die Erlebnisse der diesjährigen Ostwind-Regatta werden den Beteiligten sicher noch lange in Erinnerung bleiben. Dabei begann die Woche vor der Regatta am 20. und 21.5. zunächst mit Bangen und Hoffen. Die Windvorhersage von knapp über zwei Beaufort aus der „schwierigen“ Richtung ließ im Vorfeld leichte Sorgen aufkommen. Wie man sich doch täuschen kann…

Es geht los

Nach einem Wilkommens-Sekt (vor der nach dem kürzlichen Blitzeinschlag frisch gestutzten) Trauerweide am Clubhauseingang begrüßten der 1. Vorsitzende des SCR, Alexander Cross und Wettfahrtleiter Uli Rosskopf die Crews von insgesamt 23 Booten bei schönem Frühsommerwetter zur ersten Regatta des Jahres. Mit dem Ausblick auf etwas mehr Wind als vorhergesagt, hatte das Helferteam zunächst die Tonnen für zwei Rundenfahrten zwischen Walluf und Schierstein ausgelegt. Was noch einmal einiger warnender Worte in Richtung Segler bedurfte, dass eine zu knappe Annäherung an den gelben Wendemarken harte Konsequenzen mit sich bringen würde. (Wir erinnern hier nochmal an die unfreiwilligen “Festmacher” vom Vorjahr…) Aber versehen mit frischen Brezeln vom Rheingauer Bäcker und Süßigkeiten aus der Großpackung herrschte im Teilnehmerfeld doch ausschließlich Vorfreude.

Der Start

Der Start erfolgte zu Berg in zwei Klassen (Yardstick 80 bis 99, sowie 100 bis 120), vorbei am Startschiff „Pinocchio“, das seitlich der Kursmitte verankert war und auf dem helfende Hände unermüdlich Boote, Segelnummern und Rundenzeiten abglichen.

Nach dem Starsignal um 12:00 Uhr zogen die Flotten aus J80, Karavel und anderen schnellen Racern zügig gegen Wind und Strom, während andere sich noch nach Kräften mühten, überhaupt an die Startlinie zu kreuzen. (An dieser Stelle sollte der Welt-Seglerverband noch einmal ernsthaft über das Reglement nachdenken. Was ist schon das elegante Anführen des Feldes mit zwei bis drei Kreuzschlägen zur Luvtonne gegenüber zwei Dutzend arbeitsintensiven Wenden auf einem anderen Schiff zur gleichen Zeit…) Fünf Stundenkilometer Strömung bei erhöhtem Wasserstand sind auf dem Rhein auf jeden Fall kein Pappenstiel, was dann auch dafür sorgte, dass sich das Feld schnell auseinander zog

Erschrecken ist nicht!

Kurz darauf kam es dann zum ersten „Attentat“ auf das Startschiff. Nach einer harten Wende am Budenheimer Ufer krängte eine hier ungenannt bleibende Yacht hoch am Wind so knapp an „Pinocchio“ vorbei, dass letzteres sich vom exakten Zustand des Bewuchses am Unterwasserschiff überzeugen konnte. Das begutachtende Race Office ist sich sicher: Die mittelgroße Muschel steuerbords am Kielansatz dürfte wertvolle Podiumsplätze gekostet haben. (Frage an die Regelkundigen: Darf das Startschiff eigentlich auch „Raum!“ rufen?)

Zum Glück ging alles gut, schließlich waren hier und auf allen anderen Regattabooten kompetente Crews im Einsatz, die jede Lücke auszunutzen wussten und wenn es sein musste auch den Weg zwischen zwei Frachtschiffen hindurch fanden. Der Ausweichpflicht gegenüber der Großschiffahrt wurde jedenfalls immer genüge getan. Letztere war jedoch sicherheitshalber vorgewarnt, schließlich informierte die Regattaleitung während der Wettfahrten in kurzer Folge den Verkehr zwischen Rheinkilometern 506 und 508 per Funk über die Veranstaltung auf dem Wasser.

Fun-Regatta

Nach Abschluss der regulären Wettfahrten kam es im weiteren Verlauf des Samstagnachmittags zu einer wichtigen Neuerung der diesjährigen Regattasaison, der Fun-Regatta: Speziell für Neulinge (aber auch alle anderen) startete die letzte Wettfahrt als reine Talfahrt von Walluf bis Heidenfahrt. Das Besondere: Der Start erfolgte hier nicht wie bei den Hauptläufen gleichzeitig, sondern jedes Boot konnte innerhalb eines 10-Minuten Zeitraums individuell starten und den festgelegten Kurs befahren. Die jeweilige Startzeit wurde individuell festgehalten. Ohne Startstress und Flaggen, einfach nur Segeln! Ideal für alle, die einmal eine Runde Regatta-Luft schnuppern wollten, ohne gleich das volle Wettfahrt-Programm mitzumachen.

Inklusive der regulären Regattateilnehmer waren auch hier am Ende 15 Boote am Start und das Race Office hatte alle Hände voll zu tun, um die individuellen Start und Zielzeiten festzuhalten und zu berechnen. Um so mehr, als die Meldungen und die tatsächlichen Crewbesatzungen doch nicht immer ganz so exakt zueinander passten. Egal, zum Clubhaus zurück kamen alle, wenn auch manche nur mit freundlicher Schlepphilfe von Begleit- und Nachbarbooten. Warum einer der vorherigen Sieger an der Bergauf-Kreuz auch dazu gehörte, erschließt sich allerdings bis heute noch nicht vollständig. War das Boot müde?

“Fullhouse” am Abend

Nach der Rückkehr in die Wallufer Bucht hatte die Clubhaus-Gastronomie am Grill groß aufgefahren, um die leeren Bäuche der Crews wieder zu füllen. Und auch die Getränkevorräte im Clubhaus sollen dem Vernehmen nach deutlich geplündert worden sein. Dazu gab es mit dem Schlangenbader Entertainer Rick Cheyenne das passende Abendprogramm: bis weit nach weit nach Eintritt der Dunkelheit wurde auf der mehr als vollen Clubhausterasse getanzt und gefeiert. Die Schätzungen gehen auseinander, aber mehr als 120 Personen waren es garantiert. Und auch der eine oder andere Spontanbesucher durfte sich über das bewusst offen gelassene Tor im Verlauf des Abends dazu gesellt haben.

Was macht der Wind?

Der zweite Tag begann erneut mit dem bangen Blick zur Windfahne. Die Wettfahrtleitung entschied sich für die mutige und am Ende goldrichtige Variante: 30 Minuten Startverschiebung und dann eine Rundenfahrt wie am Vortag. Der Ostwind stabilisierte sich auf gut segelbare 3 Bft. Keine Böen, aber auch nicht weniger. Also alles perfekt für die kommende Wettfahrt. Doch der nächste Aufreger fand an anderer Stelle statt.

Pinocchio in Not

Pünktlich zum Start der zweiten Gruppe entfaltete sich am diesmal näher beim Budenheimer Ufer liegenden Startschiff das Drama des Tages. Und das hatte nichts mit den Geschehnissen auf dem Kurs zu tun. Nur Sekunden bevor auf Kommando des Wettfahrtleiters in zwei gleichzeitigen Handbewegungen die Startflagge hoch und die letzte Ankündigungsflagge herunter gezogen werden sollten, erstarrten zeitgleich die Besatzungen mehrerer Boote in direkter Nähe. Talwärts auf der falschen Stromseite fahrend, motorte ein Kutter mit der starken Strömung im Rücken direkt auf Startschiff, Sicherungsboot und mehrere an der Startlinie lauernde Segler zu. Sämtliche Schall- und Rufsignale der beteiligten Crews blieben unbeachtet.

Uli Rosskopf konnte auf der hilflos an der Muringboje vertäuten „Pinocchio“ gerade noch geistesgegenwärtig hart Steuerbord legen, um diese mit Stromwirkung ein paar Zentimeter näher ans Ufer zu bugsieren. Der Talfahrer erkannte erst Sekunden vor der fast unvermeidlichen Kollision die Gefahr, rammte bei einem zaghaft vorgetragenen Manöver „nach“ dem letzten Augenblick die Muringboje und verfehlte das Startschiff in einem Abstand zwischen fünf und zehn Zentimetern. Nie war eine „Handbreit Wasser“ wertvoller. — Sportsfreund, wir wissen wo Dein Stegplatz ist! Sicher hattest Du zuvor einen langen und fröhlichen linksrheinischen Samstagabend…

Zu Berg und zu Tal und wieder zu Berg

Zurück zum Wettkampfgeschehen am Sonntag: Entgegen aller Befürchtungen bleib der Wind stabil genug, um alle Crews sicher und erstaunlich schnell bergwärts und im Anschluss um den gesamten Kurs zu tragen. Einige Crews versuchten sogar eine freiwillige Zusatzrunde. Leider gibt es dafür keine Fleisspunkte und auch keine bessere Yardstick-Vergütung. Auch wenn um letztere nach Regattaschluss noch einmal intensiv diskutiert wurde. Jedoch: Die Wettfahrtleitung erhielt weder Freigetränke noch Kuchen und die Yardstickwerte bleiben so korrekt wie die Zahlen eines Rheingauer Buchhalters.

Die Sieger

Damit kam es zu folgendem Abschlussklassement:

Sieger bei den J-Boat/80: Ulf Moosmeyr und Crew mit „Orion“,
Sieger bei den Karavel 10m: Jürgen Grund und Crew mit „Ciao“
Sieger bei der Startgruppe 1: Jörg Fleischer und Crew mit „halbtrocken“
Sieger bei der Startgruppe 2: Helmut Quermann und Crew mit „Miles and More“
Sieger bei der Fun-Wettfahrt: Leopold Luh und Crew mit „Hexenkessel“

Für die Crews gab es SCR-Sekt, dazu ewigen Ruhm für die siegreichen Teams, und natürlich Frei-Eis für alle mitsegelnden Kinder. (Zwei davon sogar als Vorschoter auf dem J80 Siegerboot!)

Fazit

Der SCR Vorsitzende Alex Cross zeigte sich nach der Veranstaltung sehr zufrieden: „Schön, dass so viele Segler nach Walluf gekommen sind und die Wettfahrten auf dem Wasser und die Party an Land bereichert haben.“ Nach schwierigen Jahren, durch Corona und schlechtem Wetter war es endlich wieder ein echtes Seglerfest. Die Teilnehmer waren sich einig: „Der SCR hat die Regatta professionell organisiert und durchgeführt“ und die Abendveranstaltung war sehr gut besucht und “richtig toll!“.

Der Dank geht an die teilnehmenden Crews, an das Helferteam, an die Clubhaus-Gastronomie und das Organisationsteam!

Nachtrag

Zum Abschied grüßte sogar Käptn Ben Kick noch einmal zum Clubhaus. Diesmal leider ohne U-Boot, das sei ihm in Speyer abhanden gekommen, teilte er am Sonntagnachmittag mit seinem leeren Schubverband talwärts fahrend telefonisch in Richtung Clubhausterasse mit. Und bedankte sich für den Rheingauer Wein aus der Vorwoche. Tot ziens!